_ aus dem Kino

Die Verlegerin – Was der Journalismus damals besser machte

Plakat zum Die Verlegerin mit Tom Hanks und Merryl Streep
Plakat „Die Verlegerin“, 2017 Univesal Pictutes International

Wenn die Druckerpressen endgültig die hoch explosive Story schwarz auf weiß verewigen, dann wackeln die Wände der Redaktionsräume der Washington Post wie ein Erdbeben. Dem verschmitzt lächelnden Reporter inmitten von Schreibmaschinen wird klar, dass der politische Betrieb der USA schon kurze später genauso durchgeschüttelt werden wird. Ein historischer Moment. Auch für die Pressefreiheit und den Journalismus.

Dieser zentrale Moment, nachgestellt in Steven Spielbergs „Die Verlegerin“, bringt sehr elegant auf den Punkt, wie brisant die Enthüllungen damals waren, Anfang der 70er Jahre, in New York, um die sich der Film dreht. Die sogenannten Pentagon Papers, die erst von der New York Times und dann – nach einem nie dagewesenen Akt der Zensur – von der Washington Post veröffentlicht wurden, belegten detailgenau, wie alle amerikanischen Regierungen, die in den Vietnamkrieg verwickelt waren, die Öffentlichkeit über die tatsächliche Lage und die Erfolgschancen der Mission belogen hatten. Zur Zeit der Veröffentlichung war mit Richard Nixon der (bis dato) ultimative Superschurke unter den US-Präsidenten an der Macht. Als solcher inszeniert ihn auch Spielberg samt weißen Haus als dunkle Festung in dem er abgeschottet seine finsteren Pläne gegen die Helden der Geschichte schmiedet.

Szene aus dem Film Die Verlegerin mit Merryl Streep
Szene aus „Die Verlegerin“, 2018, Universal Pictures Germany

Die Helden der Geschichte, das sind in diesem Fall die Helden der Presse, allen voran die titelgebende Verlegerin der Zeitung Kay Graham gespielt von Meryl Streep und Chefredakteur Ben Bradlee, den Tom Hanks verkörpert. Die beiden Hollywood-Schwergewichte haben tatsächlich – und das mag man kaum glauben – noch nie gemeinsam vor der Kamera gestanden. In Spielbergs Pamphlet auf die Pressefreiheit harmonieren sie vom ersten Moment an erwartungsgemäß gut. Es braucht allerdings auch die Präsenz und die Erhabenheit, die die beiden ohne Mühe ausstrahlen, um der Bedeutung der Geschichte gerecht zu werden. Denn das Skript für „Die Verlegerin“ kann nur unwesentlich kürzer als die Massen an Seiten der Pentagon Papers gewesen sein, die zuweilen in Bradlees Wohnung den ganzen Boden bedecken.

Pressearbeit in der digitalen Vorzeit. Ohne Google, ohne Wikipedia. Das hieß zunächst einmal: Menschlichen Quellen vertrauen, Ordnung schaffen. Klar, in der zentralen Frage, ob die Zeitung die Informationen veröffentlichen sollen gibt es eine Menge komplexer Themen, wie die journalistische Integrität, um die Hanks´ Charakter erbittert kämpft, die juristische Lage mitsamt Vorwurf des Geheimnisverrats und die finanzielle Seite, die Streeps Charakter Graham im Auge behalten muss. Diese Aspekte werden jedoch äußerst penibel in endlosen Dialogen aufgedröselt.

Idee, Umsetzung und Resultat

Von einem cineastischen Großmeister wie Spielberg würde man sich häufiger eine metaphorische Bildsprache wie in der eingangs geschilderten Szene wünschen. Wäre der Verweis auf die Verlässlichkeit der Presse in Zeiten von „Fake-News“, „Trump“ und Co. nicht wichtiger denn je, könnte man den Verantwortlichen vorwerfen, nicht mehr oder weniger als eine wortwörtliche Nacherzählung journalistisch historischer Ereignisse inszeniert zu haben, statt dem Zuschauer filmisch zu vermitteln, wie bedeutsam die presserelevanten Geschehnisse damals waren. Man erinnere sich im Vergleich dazu nur an das legendäre Intro von Alan J. Pakulas „All the President´s Men“ – „Die Unbestechlichen“, in dem die Schläge der Schreibmaschine mit Pistolenschüssen untermalt sind.

Szene aus dem Film Die Verlegerin mit Tom Hanks in einem Redaktionsbüro.
Szene aus dem Film „Die Verlegerin“, 2018 Universal Pictures Germany

Liz Hannah und Josh Singers (Drehbuch) „The Post“, wie der Film im Original heißt, mutet im Vergleich dazu wie die kleine Schwester des Pakula-Klassikers um die Watergate-Affäre aus dem Jahr 1976 an. Spielberg versucht in seiner souveränen Inszenierung auch gar nicht erst, dem Vergleich aus dem Weg zu gehen, weswegen aber umso deutlicher wird, dass sein Film die Intensität nicht durchgängig so hoch hält wie sein offensichtliches Vorbild.

Dass Spielbergs Inszenierung trotzdem nicht übermäßig fahrig wirkt, hat vor allem mit dem herausragend gut besetzten Cast zu tun. Neben den beiden Mittelstürmern Streep und Hanks hat Spielberg ein kompaktes Team zusammengestellt, das den beiden gekonnnt die Bälle zuspielt. Auffällig ist dabei vor allem, wie viele Schauspieler, die durch Serien bekannt sind, ihren Ritterschlag durch den Regisseur erhalten. In den Redaktionsräumen tummeln sich unter anderem (die Mittelfeldstrategen) Bob Odenkirk und Jesse Plemons, beide bekannt aus „Breaking Bad“ und „Fargo“, (Außen-Verteidigerin) Carrie Coon, die in der viel zu unbekannten HBO-Serie „The Leftovers“ brillierte, sowie als Bradlees Frau Sarah Paulson aus „American Horror Story“ und als Grahams Tochter Alison Brie aus „Community“ und „GLOW“.

Der Journalismus der alten Schule

Die einzelnen Teile der Mannschaft interagieren dabei genauso exakt wie die Komponenten der Druckerpressen, die hier sehr viel häufiger gezeigt werden als ein vertieft schreibender Journalist in vergleichbaren Filmen wie zum Beispiel Spotlight (für dessen Drehbuch sich ebenso u.a. Josh Singer verantwortlich zeichnet). Ist der Journalismus „alter Schule“ also eher ein Mannschaftssport (gewesen)? Die hohe Anzahl der mannschaftsdienlichen Szenen lassen dies vermuten. Und vielleicht ist dies Spielbergs´ Tipp an den heutigen (mit Printsterben und Fake-News zu kämpfenden) Journalismus?

Somit ist seine Inszenierung von „Die Verlegerin“ nicht nur ein leidenschaftliches Plädoyer für die Pressefreiheit (was bekanntermaßen zudem ein hochaktuelles Thema ist) sondern auch ein Liebesbrief an den Journalismus der alten Schule mit Tipps für den „modernen Journalismus“. Die turmhohen Maschinen mit der vertrackten Technik, die in allen Details abgefilmt werden, erzeugen sowohl eine analoge Nostalgie als auch eine gewisse Ehrfurcht, mit der ein Computer nur schwer mithalten kann.

Solch eingestreuten filmische Kniffe – zu denen auch das wirklich clevere Ende gehört – sowie die Riege an tollen Performances machen aus der manchmal etwas trockenen Geschichtsstunde doch noch ein grundsolides, wenn auch sehr auf Hochglanz inszeniertes Politdrama. Sehenswert. Mehr Infos zum Film findest Du hier.