Kultur

Robert Wilsons „Woyzeck“ an den Städtischen Bühnen in Münster

Szene aus Woyzeck Staedtische Buehnen Muenster 2011
Szene aus "Woyzeck" (Photo: Volker Beinhorn, Bremen)

Wie viel sagt der Satz „Das Publikum hat lange applaudiert“ über die Qualität einer künstlerischen Leistung aus? Und vor allem, wie viel Wert hat diese Aussage in der kritischen Berichterstattung? In der gestrigen Aufführung von „Woyzeck“ an den Städtischen Bühnen in Münster hatte das Publikum die Leistung mit frenetischem Applaus goutiert. Wieder einmal. Ja es gab vereinzelt sogar begeisterte Pfiffe. Das Publikum bestand an diesem Abend zu 90 Prozent aus Oberstufenschülern eines Gymnasiums, die (auf Nachfrage) das fragmentarische Drama von Büchner kurz zuvor im Grundkurs Deutsch durchexerziert hatten. Wurde die Begeisterung der Schülerinnen und Schüler für das Stück durch die Tatsache verstärkt, dass zwei der Darsteller zeitweise nackt auf der Bühne zu sehen sind? Oder lag es an den Songs von Tom Waits, die eine Live-Band zusammen mit den Darstellern vortrug?

In einer Rezension zu einer vorherigen Woyzeck-Aufführung schrieb ein Kollege: „Ein begeistertes Premierenpublikum applaudierte nach zwei Stunden pausenlosen Spiels anhaltend.“ Ganz ehrlich, ich mag diesen oder ähnliche Sätze nicht. Erst recht haben sie nichts in einer Rezension zu suchen. Ein Premierenpublikum klatscht immer, sei es aus höflicher Anerkennung oder evoziert aus einer Gruppendynamik. Wie oft mögen oben erwähnte Schülerinnen und Schüler vorher eine Theateraufführung gesehen haben? Im Alter von 17 bzw. 18 Jahren? Und wie viel Wert hat die Angabe der Stärke des Applauses bei einer Premierenaufführung, wenn der Spielplan die Premierengäste mit Stücken wie „Die Comedian Harmonists“ oder dem niederdeutschen Stück „De Lüü van`n Lehmpott“ erfreut?

Die Münstersche Aufführung von „Woyzeck“ war bestenfalls durchschnittlich. Das wird jeder Theaterfan feststellen müssen, der bereits andere Woyzeck Aufführungen in beispielsweise Dortmund, Essen oder Coesfeld gesehen hat. Das Stück hat an der Städtischen Bühne in Münster nicht funktioniert. Und das lag nicht an den hervorragenden Darstellern, sondern an der Inszenierung von Alexander Schilling, die zu keinem Zeitpunkt den Geist von Büchner versprüht. Auch wenn die zahlreichen Schülerinnen, Schüler oder Kollegen das anders gesehen haben, ich versuche in Zukunft auf Sätze wie „Das Publikum hat lange applaudiert“ zu verzichten. Ein von mir geschätzter Tageszeitungs-Kollege sieht das auch so. Ihm hat das Stück übrigens auch nicht gefallen. Trotz des langanhaltenden Premierenapplauses. An dieser Stelle vielen Dank an den Bremer Fotografen Volker Beinhorn für die tollen Photos vom Stück.