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Filmkritik „So wie Du mich willst“ von Safy Nebbou

Plakat zum Film So wie Du mich willst. Von Alamode Filmverleih
Plakat zum Film So wie Du mich willst. (c) Alamode 2017

Film ist die Kunst, mit hübschen Frauen hübsche Sachen anzustellen“ sagte einst der französische Regisseur Francois Truffaut. Seine französische Landsfrau, die Schauspielerin Juliette Binoche, ist zweifelsohne eine hübsche Frau. Die wiederum nie für Meisterregisseur Truffaut vor der Kamera stand. Truffaut starb im Alter von 52 Jahren, als Binoches Karriere gerade zündete. Fast alle anderen großen französischen Regisseure jedoch, Godard (Maria und Joseph, 1985), Téchiné (Rendez-vous, 1985), Leos Carax (Die Liebenden von Peunt-Neuf, 1991), Louis Malle, und so viele mehr wollten unbedingt mit der brünetten Darstellerin mit den rehbraunen Augen zusammenarbeiten. So wie Safy Nebbou, dessen Film im Original „Celle que vous croyez“, frei übersetzt „Der, an den Du glaubst“ heißt. Ein schöner, motivierender, doppeldeutiger Titel. Für Nebbou ist es die siebte Regiearbeit und die erste mit Juliette Binoche, die wiederum sich mit großen Schritten der Marke 70 Spielfilme nähert.

Für Nebbou, der auch das Drehbuch zu „So wie Du mich willst“ schrieb (nach einer Romanvorlage von Camille Laurens), verkörpert „la Binoche“, wie sie in Frankreich ehrfurchtsvoll genannt wird, eine geschiedene Literaturdozentin Anfang/Mitte 50. Claire ist zudem Mutter zweier pubertierender Söhne. Sie hat eine nach eigener Aussage glückliche, über 20-jährige Ehe hinter sich und wurde unlängst von ihrem Mann verlassen – wegen einer jüngeren. Mit einer ebenso deutlich jüngeren Affäre versucht Claire nun, ihr Ego wieder aufzupäppeln. Was aber nur in Ansätzen gelingt, weil ihr Ludo (Guillaume Gouix), ein Bauingenieur, an mehr als an gelegentlichen Sex-Dates kaum interessiert ist. Was also tun? Weil die Liebe zu Ludo doch ernster zu sein scheint, als ihr vielleicht lieb ist, nähert sich Claire ihrer Affäre auf anderem Wege – online.

Das Fake-Profil ist erst der Anfang

Mit einem Fake-Profil meldet sich Claire bei Facebook an. Sie wählt den klangvollen Namen Clara Antunés, geboren im Februar 1993. Und um nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, schickt sie zunächst eine Freundschaftsanfrage nicht an Ludo sondern an seinen aktuellen Mitbewohner Alex, einen Fotographen. Dieser (Francois Civil) ist von den Komplimenten der hübschen, vermeintlich 25-jährigen Clara angetan. Es entwickelt sich ein Online-Flirt, der zunehmend ernster wird. Mit dem Medium-Wechsel vom oberflächlichen Online-Portal zum sehr viel privateren Mobiltelefon (ihres Sohnes) scheint die Intention von Claire, ihrer Affäre Ludo näher kommen zu wollen, vollends verschwunden zu sein. Sie schickt ihrer neuen Eroberung Alex sogar ein Foto ihrer 24-jährigen Nichte als Beleg für die Existenz von Clara.

In einer Schlüsselszene kommt es schließlich zu einer Begegnung in der „realen Welt“. Weil sie Alex nicht mehr länger hinhalten kann, möchte Clara ein Treffen am Bahnhof. Beide erscheinen – er erkennt sie aber nicht, weil er nach einer 25-jährigen Clara Ausschau hält, die Claire zwangsläufig nicht (mehr) ist. Als beide auf dem Bahnsteig spürbar nebeneinander stehen, kreist die erfahrene Kamera von Gilles Porte um die Protagonisten wie um ein begehrtes Messe-Ausstellungsstück. So viele Gefühle transportiert diese Kamerafahrt, Freude, Erwartung, Enttäuschung, Hoffnung – doch ohne Eruption, nichts geschieht. Claire bringt es nicht übers Herz, ihrem Alex die Wahrheit zu sagen.

„Stereotype interessieren mich nicht“

Frauen und ihre Sehnsucht. Ihre Sehnsucht nach Unabhängigkeit, ihre Suche nach Identität, das sind die immer wiederkehrenden, essentiellen Bestandteile, die Juliette Binoche in ihren Filmfiguren erkennen muss. Stereotype interessieren sie nicht. Das hatte sie mal in einem Interview gesagt. Sind diese Mindestanforderungen nicht vorhanden, sage sie sogar Rollen in großen Hollywood-Filmen von Spielberg und Co. ab. La Binoche. Einfach soll sie nicht sein. Aber einfach will sie auch gar nicht sein. Innerhalb des Bruchteils einer Sekunde wechselt sie auch hier von der Leidenschaft zur Lächerlichkeit, von der ätherisch-elitären Schönheit zu ordinärer Erdverbundenheit. Ohne Zweifel verkörpert sie die geschiedene Literaturdozentin, Mutter, Liebhaberin und verzweifelte Frau auf der Suche nach Liebe mit einer Leichtigkeit, die einen sprachlos macht.

Da hätte es der angegrauten Haare der Maskenbildnerin gar nicht gebraucht. Jede Szene und jede Aufmerksamkeit schenkt Safy Nebbou seiner Hauptdarstellerin. Und Juliette Binoche dankt es ihrem Regisseur mit der ganzen Bandbreite, in diesem Fall Stärke, Verletzlichkeit und Kaltschnäuzigkeit ihres Könnens. Bis zu ihrem 80. Spielfilm vor der Kamera wird der Name der Regisseure, mit dem Juliette Binoche erfolgreich zusammengearbeitet hat noch öfter Safy Nebbou lauten. Dessen darf man sich sicher sein.

Trailer So wie Du mich willst