_ aus dem Kino

Filmkritik „Die Lügen der Sieger“

Szene aus "Die Lügen der Sieger"

Ist er so? Der Journalist von der Zeitung? Single, mit kleinen Schwächen und Süchten, Vorlieben für Antiquiertes, aber von einem unumstößlichen Ehrenkodex und manischem Gerechtigkeitssinn getrieben, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit herauszufinden? Warum nur wird der Beruf des Reporters in Filmen so oft romantisiert? Auch Fabian Groys, gespielt von Florian David Fitz, fügt sich dem amerikanischen Paradigma. Nahtlos darf er sich unter Christoph Hochhäusler einreihen in die Reihe der Bob Woodwords (Robert Redford in „Die Unbestechlichen“), Cal McAffreys (Russel Crowe in „State of Play“), Mikael Blomquists (Daniel Craig in „Verblendung“) und Co. Man trifft geheimnisvolle Informanten an ungewöhnlichen Orten, fährt alte Autos, verabredet sich in der kaum vorhandenen Freizeit mit zwielichtigen Gestalten. Und natürlich gibt es auch diesmal wieder die „Neue“ an der Seite des älteren. Jünger, hübscher, meistens weiblich und natürlich weitaus weniger beschlagen. Aber sehr motiviert. Lilith Stangenberg darf bei Hochhäusler die undankbare Rolle der Erfüllungsgehilfin übernehmen, als ambitionierte Volontärin Nadja („die ist richtig gut„).

Mit der Volontärin nach Gelsenkirchen

Doch etwas ist anders. Auch wenn sein Film im Gewand eines Noir daherkommt und deutlich den Geist älterer Paranoia-Thriller atmet, ist Hochhäuslers „Die Lügen der Sieger“ erschreckend modern und real. Einmal mehr geht es bei ihm um das System und unsere Machtlosigkeit darin. Nach der Bankenwelt in Frankfurt („Unter Dir die Stadt“) nun die Medienlandschaft in Berlin. „Die Woche“ heißt der Arbeitgeber, für den der smarte Reporter Fabian Groys und seine Volontärin Nadja auf Enthüllungsjagd gehen. Zunächst soll die etwas spröde Volontärin nach Gelsenkirchen reisen, um über einen ungewöhnlichen Selbstmord zu recherchieren, mit einem Löwen in einem Zoo. Groys sitzt an der „großen Story“, an einer Verschwörung bei der Bundeswehr, bei der es um die Entsorgung von Chemiewaffen geht. Und es wird nicht lange dauern, bis die Geschichten von Fabian und Nadja zusammenlaufen.

Erschreckend real ist die Inszenierung deshalb, weil die Enthüllungsversuche des ungleichen Reporter-Gespanns, die zu Beginn scheinbar ziellos vor sich hin mäandern, immer wieder abgelöst werden durch einen weiteren, kleineren, unrühmlichen Schauplatz. Eine kleine Lobbyisten-Gruppe (Ursina Lardi, Arved Birnbaum) möchte eine Abstimmung im Bundestag im Sinne ihres Klienten beeinflussen. Auch in diesem Fall geht es um Entsorgung. Beim Blick auf die Monitore wird schnell klar, dass auch die Reporter der „Woche“ überwacht werden. Die Lobbyisten-Gruppe scheint bestens ausgestattet und vor allem bestens informiert. Wer beobachtet hier wen? Der Beobachter wird zum Beobachteten.

Protagonist gegen Antagonist

Hochhäuslers Kameramann Reinhold Vorschneider zeichnet eine Welt, in der man rasch den Eindruck gewinnt, dass alle Beteiligte nicht nur begleitet oder inszeniert sondern mit allen legalen und illegalen Tricks der modernen Technik regelrecht überwacht werden. Hinter Glaswänden, aus der Froschperspektive oder am nüchternen Arbeitsplatz. Vorbei scheinen die Zeiten, in denen der Journalist von einst seine Privatsphäre am unaufgeräumten Schreibtisch genießen konnte. Der moderne Journalist ist heute nicht mehr der einsame Kämpfer für das Gute, er ist vielmehr ein Ausführungsgehilfe unterschiedlicher Interessen. Eine Berufung, heute ein hoffnungsloses Unterfangen, in dem sich Protagonisten und Antagonisten kein einziges Mal gegenüberstehen müssen. Erschreckend real. Und von Hochhäusler packend porträtiert.