_ aus dem Kino

Interview mit Wim Wenders zu seinem Film „Palermo Shooting“

Wim Wenders im Cineplex in Münster
Wim Wenders in Münster (Photo: Klebsch, 2008)
„Palermo Shooting“ heißt sein neuer Film. Es ist ein sehr persönlicher Film. Nach Sehnsuchtsorten wie Paris, Texas, Lissabon oder Havanna verschlug es den deutschen Regisseur Wim Wenders diesmal nach Italien.

Am Abend des 23. November, einem Sonntagabend, war der Goldene Palme Preisträger („Paris, Texas“) zu Gast im Cineplex in Münster. In seinem neuen Film „Palermo Shooting“ erzählt er die Geschichte eines ausgebrannten Fotografen (Campino von den „Toten Hosen“), der in Palermo/Sizilien nach neuem Sinn des Lebens sucht – und dabei dem Tod höchstpersönlich begegnet – dargestellt von Dennis Hopper. Auch diesen Film hat er zuvor in Cannes vorgestellt. Wender´s fünfzehnter Besuch in Cannes. Mit dem Regisseur, der erstmals seit 15 Jahren wieder in Deutschland drehte, unterhielte ich mich während der Vorstellung im Cineplex in Münster.

Christian Gertz: Herr Wenders, in ihrem Film geht es um einen Photographen, die Geschichte spielt zu Anfang in Düsseldorf. Was steckt von Ihnen in der Figur des Finn?
Wim Wenders: In der Grundanlage sehr viel. Ich kenne dieses Gefühl, zu viel zu tun zu haben und dennoch zu nichts zu kommen gut. Dieses Gefühl der Beschleunigung kenne ich auch als Beobachter sehr gut. Dann bin ich wie Finn auch Photograph und habe auch einige Dinge genauso erlebt.

Christian Gertz: Wie photographieren Sie heute? Auch digital oder lieber analog?
Wim Wenders: Ich habe einige Digitalkameras zu Hause, weiß auch wie sie funktionieren, habe auch einige Resultate gesehen aber ich habe diese Kameras alle weiter verschenkt. Ich photographiere mit Mittel- und auch größeren Formaten, vor allem 6 mal 17. Und das bekomme ich mit einer Digitalkamera nicht so gut hin.

Christian Gertz: Im Film tauchen viele Zitate oder Anleihen von bekannten Regisseuren wie David Lynch, Michelangelo Antonioni und Ingmar Bergman auf. Sind es für Sie Vorbilder, die sie gerne zitieren?
Wenders: Den Antonioni haben Sie deshalb gesehen, weil es in der Filmgeschichte nur wenige Filme gibt, die das Thema „Photographie“ oder „Photograph“ behandeln. Und Antonionis „Blow Up“ ist so ein Film, in dem es um Photographie und einen Photographen geht. Diesen Film habe ich meinem Hauptdarsteller Campino ans Herz gelegt. Und er hat ihn sich auch zwei Mal angeguckt. Dann ist es richtig, dass ich auch an Bergmans „Das siebente Siegel“ gedacht habe, weil es in Bergmans Film auch um den Tod geht. Aber Zitate würde ich das nicht nennen. Es gibt einfach keine anderen Referenzfilme zu diesen Themen. Und diese beiden Filme habe ich dem Team auch gezeigt, ohne dass wir dabei diese Filme zitiert hätten. Zu David Lynch, den ich gut kenne, gibt es nur eine Verbindung. Wir haben Dennis Hopper während der Dreharbeiten „Frank“ gerufen, den Namen den er auch in seiner Rolle des Bösewichts in „Blue Velvet“ trägt.

Christian Gertz: Sie sagten zu Anfang, dass viel von Ihnen in der Figur des Finn steckt. Heißt das im Umkehrschluss, dass dieser Film erst jetzt, im Alter von 62 Jahren, für sie möglich war?
Wenders: Es hat in der Tat lange gebraucht, bis ich mich an dieses Thema herangetraut habe. Seit ewigen Zeiten wollte ich einen Film zum Thema „Photographie“ machen, in dem es um einen Photographen geht. Auch habe ich diesen Beinahe-Unfall, wie Finn ihn hat, damals mit meiner Ente selbst erlebt. Zudem hatte ich auch mal ein Nah-Tod-Erlebnis. Da lag ich sehr lange Zeit im Koma. Also ist da sehr viel drin von mir in diesem Film, das kann ich überhaupt nicht verneinen. Wenn man sich zudem mit dem Thema Tod beschäftigt, vor dem viele Menschen immer noch große Angst haben, musste ich persönliche Dinge mit einfließen lassen. Sonst darf man einen Film zu diesem Thema nicht machen.

Christian Gertz: Was und wann hat es sie gereizt, die Rolle des Finn mit dem Toten-Hosen-Frontmann Campino zu besetzten?
Wenders: Das kam sehr früh. Eigentlich schon als ich wusste, dass ich einen Film über einen Photographen machen möchte. Dann kam nur die Stadt Düsseldorf für mich als Drehschauplatz in Frage, auch weil Düsseldorf für die Photographie eine große Bedeutung hat mit der Düsseldorfer Schule etc.. Zudem habe ich mich bei Campino im Wort gefühlt. Als ich für die Toten Hosen das Video zu dem Titel „Warum werde ich nicht satt“ gedreht habe, was im Übrigen eine sehr ähnliche Geschichte hat, habe ich in den zwei Drehtagen gemerkt, dass Campino eine ganz hervorragende Präsenz hat vor der Kamera. Dazu kommt eine große Intelligenz, diese Präsenz für sich zu nutzen. Da habe ich ihm gesagt, dass er irgendwann einmal ein Film machen wird und machen muss. Ich habe ihm gesagt, dass es schön wäre, wenn wir diesen Film irgendwann einmal zusammen machen würden. Da hat er gelacht. Ich hingegen habe das sehr ernst genommen.

Christian Gertz: Warum ist die Figur des Finn im Film beruflich so erfolgreich und finanziell so gut situiert?
Wenders: Wenn ein Mann mit Anfang vierzig nicht von dem Leben kann, was er beruflich macht, hat er es nicht geschafft im Leben. Er ist ein Verlierer. Einen Verlierer wollte ich nicht. Zudem kam es mir auch auf die Fallhöhe der Figur an. Finn kommt im Film nach Palermo, in eine sehr arme, fast dreckige Stadt. Aus Düsseldorf kommend, und Düsseldorf ist eine sehr reiche Stadt, ist die Fallhöhe umso größer.

Christian Gertz: Für die Deutschen war der Süden schon immer eine bevorzugte Richtung, wenn Sie auf der Suche nach etwas waren. Warum wählten Sie zum Drehen Palermo?
Wenders: Palermo ist für mich das „Havanna Europas“. Es ist eine der südlichsten Metropolen Europas. Ich habe die Stadt schon früh kennen lernen dürfen. Am meisten hat mich der Feiertag zum Gedenken der Toten der Stadt fasziniert, nirgendwo auf der Welt wird so feierlich, fast euphorisch der Tod gefeiert. Kinder bekommen sogar Geschenke an diesem Tag. Das hat mich sehr fasziniert.

Christian Gertz: Ganz toll sind die Songs, die die Handlung unterstützen. Wie zum Beispiel Beth Gibbons mit “Good knows how much I love my life”. Spielen diese Songs in Ihrem Erzählkonzept eine wichtige Rolle? Haben Sie die Lieder schon vor dem Dreh im Kopf?
Wenders: Ja und Nein. Ich wusste vorher zwar, dass der Song von Lou Reed, den er in der Raststätte singt, im Film vorkommen muss, alle anderen Songs kamen aber auch beim Drehen oder nachher beim Schneiden dazu. Eine große Hilfe war hier Irmin Schmidt, den die einen oder anderen vielleicht noch im Zusammenhang mit der deutschen Band CAN kennen.

Christian Gertz: Was kommt als nächstes?
Wenders: Das kann ich Ihnen noch nicht sagen.

Christian Gertz: Herr Wenders, vielen Dank für das Gespräch.
Wenders: Danke Ihnen.

 

Der Film „Palermo Shooting“ mit Campino in der Hauptrolle startet am 20. November in den deutschen Kinos.

 

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